München-Garching / Kiel (sish) – Im Rahmen des 35. Deutschen Seeschifffahrtstages wurde Ende September das erste zertifizierte Müllsammelschiff weltweit feierlich auf den Namen „Seekuh“ getauft. Der Spezialkatamaran zum Sammeln von Plastikmüll wurde von Günther Bonin, Gründer der Münchner Umweltorganisation One Earth – One Ocean (OEOO), entwickelt, hat eine Größe von etwa 12 x 10 Metern (L x B) und wiegt knapp sechs Tonnen. Das Schiff ist zerlegbar und kann per Frachtcontainer an jeden Ort der Welt zu Einsätzen gebracht werden. Für den vollständig durch Spenden finanzierten Bau der „Seekuh“, einem Forschungs-, Reinigungs- und Aufklärungsschiff, wurden Mittel in Höhe von etwa einer viertel Million Euro gesammelt. Hauptsponsor des Projekts ist die Mannheimer Röchlingstiftung.

Mit der klassischen Formel „Allzeit gute Fahrt und stets eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!” wurde die „Seekuh“ im Rahmen des 35. Deutschen Seeschifffahrtstages in Kiel feierlich mit einer Flasche Champagner von der Patin, Annuntiata Gräfin Hoensbroech von der Röchlingstiftung, getauft. Zahlreiche Medienvertreter waren ebenso anwesend wie die vielen Besucher des „Fests am Meer” im Kieler Hafen.

Die Schiffstaufe des weltweit einmaligen Spezialschiffs ist ein ganz besonderes Ereignis für Günther Bonin und sein Team, setzt sie doch den Schlusspunkt eines dreijährigen Projekts. Drei Jahre hat es gedauert, die „Seekuh“ von einer visionären Idee Günther Bonins zur Wirklichkeit werden zu lassen. Von der Konzeption der „Maritimen Müllabfuhr“ mit Spezialschiffen über die konkrete Planung der ersten „Seekuh“, und deren langwierigen Finanzierung durch Spenden, sowie der Genehmigung durch Verwaltung und die Schiffsklassifikationsgesellschaft DNV GL, bis hin zum Bau auf der Lübeck Yacht Trave Schiff-Werft zogen Monate ins Land. Doch auch Rückschläge und Verzögerungen entmutigten Bonin und sein Team nicht, alle glaubten fest an die Idee der „Seekuh“. Neben unzähligen Kleinspenden ermöglichten vor allem die Röchlingstiftung und die Deutsche Telekom den Bau des Schiffs.

Die "Seekuh" in See

Die „Seekuh“ in See

Von der Idee zum fertigen Schiff
Plastikmüll ist eines der drängendsten Umweltprobleme der weltweiten Ozeane. Bereits heute befinden sich mehr als 140 Millionen Tonnen Kunststoff in den Meeren und jedes Jahr gelangen mindestens weitere acht Millionen Tonnen hinzu. Bis zum Jahre 2050 werden mehr Plastikteile als Fische weltweit in Meeren schwimmen. Plastikmüll hat eine Lebensdauer von bis zu 450 Jahren und gelangt letztlich als Mikroplastik (kleinste Teilchen) durch die Nahrungsaufnahme der Fische auch in unsere Nahrungskette.

Damit schadet Plastik in den Ozeanen nicht nur dem fragilen Ökosystem, sondern insbesondere auch den Menschen. Mit dem Konzept der „maritimen Müllabfuhr“, bei der Plastikmüll von Spezialschiffen aus dem Meer gefischt und wiederverwertet wird, will die Umweltorganisation One Earth – One Ocean die Menschen dazu aufrufen, dieses drängende Menschheitsproblem aktiv zu bekämpfen.

Die „Seekuh“, die für den Einsatz in küstennahen Regionen und Flussmündungen konzipiert ist, ist jetzt das erste seetaugliche Forschungs-, Reinigungs- und Aufklärungsschiff. Der auf der Lübeck Yacht Trave Schiff-Werft gebaute Katamaran wurde als Arbeitsschiff DNV/GL-zugelassen (praktisch dem TÜV für Schiffe) und kann neben Müllsammeln auch Wasseranalysen vornehmen. Im kommenden Jahr soll die „Seekuh“ einige Monate in Hong Kong eingesetzt werden, ehe sie ab Sommer 2017 an der deutschen Ostseeküste Wasserproben analysiert und Müll einsammelt.

Die Katamaranform ermöglicht es bei einem Tiefgang von nur 60 Zentimetern, zwischen den beiden Rümpfen eine Netzkonstruktion ins Wasser abzusenken, mit der der Plastikmüll bis in eine Tiefe von zwei Metern herausgefischt werden kann. Damit sich keine Lebewesen in den Netzen verfangen, fährt die durch zwei Außenbordmotore angetriebene „Seekuh“ in Schrittgeschwindigkeit. In Seegebieten mit hohem Müllaufkommen kann sie mit ihren Netzen täglich mehrmals zwei bis drei Tonnen sammeln oder bei hohen Verunreinigungen am Strand den Müll nach dem Baggerprinzip direkt an Land schieben. Später sollen Hochseekühe – autark durch Wind- und Sonnenenergie angetrieben – auf hoher See selbständig Plastikmüll sammeln.

„Ich bin sehr stolz, nach fünf Jahren der Überzeugungsarbeit nun endlich die „Seekuh“ fertig und im Wasser zu haben, um die Öffentlichkeit auf das dringende Problem des Plastikmülls und des Marine Littering hinzuweisen”, erklärt Günther Bonin, Gründer des Vereins One Earth – One Ocean. “Mein großer Dank gilt all jenen, die mich und meine Idee über Jahre begleitet, unermüdlich geholfen und nicht zuletzt Geld bezahlt haben, um diese Projekt Wirklichkeit werden zu lassen.”

Die Familie Röchling, die auf eine beinahe 200-jährige unternehmerische Tradition zurückblickt, hat ihre unternehmerische Verantwortung schon früh auch als soziale Verantwortung verstanden und bereits im 19. Jahrhundert wohltätige Einrichtungen für ihre Mitarbeiter, aber auch für die Bevölkerung insgesamt errichtet. Mit der Röchling Stiftung setzt die Familie heute ihr soziales Engagement fort. Nachdem das Familienunternehmen heute ein führender Anbieter innovativer Produkte aus Hochleistungs-Kunststoffen ist, kann die Stiftung auf eine hohe Kompetenz im Bereich Kunststoff zugreifen und diese wirkungsvoll zum Schutze der Umwelt einsetzen – wie in der Kooperation mit OEOO. So hat die Stiftung nun auch einen Großteil der Baukosten für die „Seekuh“ finanziert.

One Earth – One Ocean

In Kiel getauft.

In Kiel getauft.

Die Umweltorganisation One Earth – One Ocean mit Sitz in München Garching hat das Ziel, Gewässer vom Plastikmüll, aber auch Öl und Schadstoffen zu befreien. Bereits heute schwimmen auf den Weltmeeren riesige Teppiche aus Plastikmüll, der größte davon im Pazifik ist so groß wie Mitteleuropa, also wie Deutschland, Österreich, Schweiz, Polen, Luxemburg, Ungarn und Tschechien zusammen. Schreitet die Verschmutzung im derzeitigen Tempo weiter voran, werden die Meere in wenigen Jahren vollständig vermüllt sein.

Gründer von One Earth – One Ocean (OEOO) ist Günther Bonin, 60, ehemals Inhaber einer IT-Firma und passionierter Segler. Seine Vision der „maritimen Müllabfuhr“ gliedert sich in mehrere Stufen: In einem ersten Schritt wird der Plastikmüll mit speziell von ihm entwickelten Geräten auf den Meeren eingesammelt, sortiert und zerkleinert. Trennung und Recycling des Mülls erfolgt an Land. In einer späteren Phase soll das gesammelte Plastik direkt an Bord von Tankern in Öl rückverwandelt werden. Aus einer Tonne Plastik lassen sich etwa 900 Liter Öl gewinnen. Seit 2015 hat Bonin sein IT-Unternehmen in eine AG zur Reinigung von Gewässern umgewidmet, um den Verein administrativ zu unterstützen.

Was wie die Utopie eines Idealisten klang, nimmt inzwischen konkrete Formen an. Mehr als einhundert Unternehmen und Privatpersonen, darunter die Röchling Stiftung und die Deutsche Telekom AG, unterstützen das Projekt in unterschiedlicher Weise. Auch Thomas Hahn, der bei BMW Oracle das Siegerschiff des America’s Cup mitkonstruierte, unterstützt OEOO bei der Entwicklung der Müllschlucker-Schiffe. Im September 2016 wird die erste „Seekuh“ ihre Arbeit aufnehmen. 2013 wurde One Earth – One Ocean für sein Konzept der Maritimen Müllabfuhr mit dem renommierten GreenTec Award 2013, Europas größtem Umwelt- und Wirtschaftspreis, ausgezeichnet.

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