Sorgfältig wischt Thomas Schuh den Boden des großen Männer-Schlafraums in der Notschlafstelle der Diakonie an der Rendsburger Materialhofstraße. Immer wieder wringt er den grauen Feudel aus, nimmt das Wischwasser auf, will zügig mit der Arbeit fertig werden, denn es warten noch weitere Räume auf die tägliche Reinigung.
Der 52-jährige Mann ist im Rahmen der „sozialen Teilhabe am Arbeitsmarkt“ beim Diakonischen Werk im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde beschäftigt, arbeitet wöchentlich 25 Stunden für den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,84 Euro die Stunde. Thomas Schuh hat weite Wege für diesen Job zurückgelegt, weite Wege räumlich, Schuh stammt ursprünglich aus dem Rheinland, weite Wege aber auch sozial und gesellschaftlich, denn er war über lange Jahre völlig abgestürzt, war arbeitslos, drogenabhängig und obdachlos. Es kann daher nicht verwundern, wenn er sagt, dass er mit den Gästen der Notschlafstelle gut klarkäme. „Ich kann deren Nöte und Probleme aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen.“ Seine eigene Lebensgeschichte ist daher auch der Grund, warum er die kleine Versammlung einiger Menschen im Erdgeschoss unter dem Schlafraum richtig gut findet.
Im Speiseraum haben sich an diesem trüben Wintervormittag Ulrich Kaminski und Heike Seeland von der Diakonie im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde, sowie Ilona Storm und Bernd Hannemann vom Diakonischen Werk Schleswig-Holstein zusammengefunden. Förmlich geht es bei dem Treffen um eine symbolische Scheckübergabe, dessen Betrag für die Winternothilfe für obdachlose Menschen eingesetzt werden soll. Es geht um 10.800 Euro, mit denen Winternotpakete in zehn schleswig-holsteinischen Treffs für obdachlose Menschen angeschafft werden sollen. „Pakete“, die Menschenleben retten können.
Obdachlosigkeit hat viele Gesichter
Obdachlosigkeit hat viele Gesichter und Qualitäten. Haben es obdachlose Menschen wieder zu einer Wohnung oder einer dauerhaften Unterbringung in ein Wohnheim gebracht, geht es ihnen insbesondere im Winterhalbjahr wieder einigermaßen gut. Auch Notschlafstellen, wie die in Rendsburg, sorgen zumindest über Nacht für eine menschenwürdige Unterbringung und bewahren vor dem Kältetod.
Wesentlich kritischer steht es um die Obdachlosen, die „hardcore Platte machen“ und den Winter draußen verbringen. Menschen, die sich Ecken und Nischen unter Brücken suchen, in Grünanlagen oder Abbruchhäusern übernachten. Es gibt jedoch im Vergleich zu einer hohen und wachsenden Zahl wohnungsloser Menschen jedoch nur vergleichsweise wenige Obdachlose, die das ganze Jahr über draußen leben. In vielen Fällen geschieht dies bezogen auf eine feste Unterbringung sogar freiwillig, möglicherweise weil sie keine Sammelunterkünfte mögen, sich auch für eine Nacht nicht von ihrem Hund trennen wollen, Furcht vor Diebstahl oder Alkoholverbote haben oder warum auch immer. Genau für solche Menschen sind die Winternotpakete gedacht, die seit bereits seit mehr als zehn Jahren von der Diakonie Stiftung im Land finanziert werden.
Schlafsäcke, warme Unterwäsche, Socken und Schuhe
Angeschafft werden von dem Geld gute Schlafsäcke, warme Unterwäsche, Socken und Schuhe; wichtige Überlebenshilfen, die formlos an Bedürftige ausgegeben werden. „Insgesamt unterstützen wir Einrichtungen der Obdachlosenhilfe in Schleswig-Holstein mit 10.800 Euro“, sagt Bernd Hannemann vom Vorstand der Diakonie Stiftung. „Wir sind auch dazu da, Menschen in Notsituationen zur Seite zu stehen.“
Stellvertretend für zehn Einrichtungen im Land übergab Bernd Hannemann einen symbolischen Scheck an Ulrich Kaminski und die Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe der Diakonie Rendsburg-Eckernförde. „Wir sind sehr dankbar dafür, dass die Stiftung uns das Geld zur Verfügung stellt“, sagt Ulrich Kaminski.
Dass deren Arbeit notwendig ist, beweist auch die Belegung der Notschlafstelle. Dort stehen sechs Betten für Männer sowie zwei Betten für Frauen zur Verfügung. In der Woche vor Weihnachten übernachten laut Sozialarbeiterin Heike Seeland aktuell sechs Männer und eine Frau regelmäßig in der Einrichtung. Sie können jeweils die Nacht dort verbringen, müssen die Räumlichkeiten dann aber am Morgen wieder verlassen. „Das ist ordnungsrechtlich so vorgesehen“, sagt Ulrich Kaminski. Die Notschlafstelle wird in enger Kooperation mit der Stadt betrieben, die das Gebäude kostenlos zur Verfügung stellt. Auch die Polizei ist eingebunden, in der Polizeiwache an der Moltkestraße liegen die Schlüssel bereit. Wolfgang Henze