Dr. Fritz Bahrs (links) und Andreas von Gropper von der Bürgerstiftung Ratzeburg

Dr. Fritz Bahrs (links) und Andreas von Gropper von der Bürgerstiftung Ratzeburg

Am 2. Januar 2014 wurde die älteste Bürgerstiftung der Welt 100 Jahre alt. 1914 gründete der Bankier Frederick H. Goff in Cleveland, Ohio, die Cleveland Foundation. Sie gilt als Ursprung der weltweiten Bürgerstiftungsbewegung und diente auch als Vorbild für die Bürgerstiftungen in Deutschland.

Goff entschied sich einst für die Form der community foundation, also Bürgerstiftung, weil er die philanthropische Arbeit vor Ort effektiver organisieren wollte. Viele alte Stiftungen, die seine Bank verwaltete, konnten ihre Zwecke nicht mehr erfüllen, weil sie zu umfassend oder obsolet waren. Deshalb bündelte Goff diese Vermögen in einer neuen Institution, die auch für künftige Geldgeber attraktiv sein sollte. So wurde die Idee der Bürgerstiftung geboren. Als Stiftung von Bürgern für Bürger baut sie auf das bürgerschaftliche Engagement der Menschen im kommunalen Raum, um dauerhaft gemeinnützige Projekte mit beispielsweise sozialer oder bildungsfördernder Ausrichtung umzusetzen.
Schnell fand dieses Organisationsmodell Nachahmer. Innerhalb von fünf Jahren entstanden zahlreiche weitere Bürgerstiftungen. Heute gibt es in den USA mehr als 700 dieser community foundations; mit einem Vermögen von insgesamt fast 50 Milliarden Dollar.

Unabhängig und transparent
„Bürgerstiftungen haben einen großen Vorteil: Sie sind die institutionalisierte Unabhängigkeit“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Anders, Leiter des Arbeitskreises Bürgerstiftungen im Bundesverband Deutscher Stiftungen. William S. White, Präsident der Mott Foundation, die die deutsche Bürgerstiftungsbewegung in den Anfangsjahren unterstützte, ergänzt: „Was Bürgerstiftungen besonders auszeichnet, ist die Einfachheit und Kraft des Modells.“
Dennoch kam diese Idee erst Jahrzehnte später in Deutschland an. 1996 wurde die Bürgerstiftung Gütersloh errichtet, kurz darauf folgte die Bürgerstiftung Hannover. Im folgenden Gründungsboom schlossen sich im ganzen Bundesgebiet Menschen zusammen, um Bürgerstiftungen zu errichten und so vor Ort etwas zu bewegen. Heute gibt es weit mehr als 300 Bürgerstiftungen. Allein im Jahr 2012 haben diese Bürgerstiftungen mehr als 18 Millionen Euro für gemeinnützige Zwecke ausgegeben. Mehr als 23.000 Bürgerstifterinnen und Bürgerstifter engagieren sich dort.

Einmal stiften, immer fördern

Zu den ältesten Bürgerstiftungen in Deutschland gehört auch die in Ratzeburg. 2013 beging sie ihren zehnten Geburtstag. Ihre Projekte heißen Farbkleks, Gleis 21, Mentor oder auch schulübergreifende Projektwoche. Die Bezeichnungen klingen eigentlich nicht sonderlich spektakulär, sind es aber im Grunde doch. Dahinter verbergen sich Projekte für Kinder und Jugendliche, die nicht nur von der Bürgerstiftung Ratzeburg finanziell gefördert werden, sondern häufig auch von ihr angeregt und organisiert worden sind.

Beispielsweise Mentor. Dahinter steckt ein Förder-Projekt, mit dem die Lese-, Sprach- und Sprechkompetenz von jungen Menschen verbessert werden soll. Tatsächlich steht es häufig bei der Jugend damit nicht zum Besten. Was ist die Folge? Schlechtere Chancen auf eine Berufsausbildung, geringere Qualifikationsmöglichkeiten und Gefahr der gesellschaftlichen Ausgrenzung. Dieser Entwicklung steuert die Bürgerstiftung in Ratzeburg entgegen, in dem sie durch das Projekt Mentor Freude am Lesen wecken und neugierig auf Bücher machen will. Ein Mentor – der Leselernhelfer— ergänzt dabei in ehrenamtlicher Funktion den Deutschunterricht, will diesen aber natürlich nicht ersetzen und ist auch nicht als Nachhilfelehrer zu verstehen.

Die Bürgerstiftung Ratzeburg beging 2013 ihren zehnten Geburtstag. Ihre Gründung wurde vor allem von dem prominenten Hannoveraner Kriminologen Professor Christian Pfeiffer, der durchaus auch als „Doyen“ der Bürgerstiftungen in Deutschland gelten kann, initiiert. Vor zehn Jahren war es schließlich der Ratzeburger Tierarzt Dr. Fritz Bahrs, der zusammen mit einigen Mitstreitern diese ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtete Institution gegründet hat. Das ursprüngliche von Ratzeburger Bürgern aufgebrachte Stiftungskapital von gut 100.000 Euro ist inzwischen auf mehr als das siebeneinhalbfache angestiegen. Von dessen Erträgen können inzwischen eine Vielzahl von Projekten gefördert werden. Rund 100 Stifterpersönlichkeiten haben sich mittlerweile in Ratzeburg zusammengefunden und das Kapital der Stiftung beigesteuert.

Geschäftsführer Andreas von Gropper, der ehrenamtlich für die Stiftung tätig ist, würde sich natürlich gerne weitere Zustiftungen von Ratzeburgern wünschen. „Der Bedarf an finanzieller Unterstützung vor allem für wichtige Kinder- und Jugendprojekte wächst stetig. Und wo staatliche Hilfe nicht greift, da wollen wir tätig werden, um der jüngeren Generation gute Zukunftsperspektiven zu ermöglichen, “ erklärt von Gropper. Wolfgang Henze, Quellen: sh:z-Medienprojekt „Wir schenken Hilfe“, Bundesverband Deutscher Stiftungen